Zerstörung und Heilung

15. Juni 2012: Ich lerne viel hier in meinem Hügel und auf der documenta. Und ich traue mich viel: Heute war ich auf einem Wut-Workshop. Eigentlich muss man sich dafür telefonisch anmelden – ich habe aber kein Telefon. So stand ich da vor der Tür, der Künstler hat drin was erklärt. Es zog mich richtig rein in diesen Raum. Ich stellte meine Schuhe in eine Ecke, setzte mich in den Kreis. Wir bekamen Anweisungen. Ich musste eine Erklärung unterschreiben, dass ich gesund bin. Mit meiner Unterschrift habe ich gelogen, denn ich bin ganz und gar nicht gesund.

Es ging es los: Ich habe zu Technomusik fünf Minuten lang meine Wut rausgeschrieen. Ich habe so laut geschrieen, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht geschrieen habe. Zwischendurch musste ich immer wieder aufhören, so anstrengend war es für mich.

Dann kam Mozart. Der Künstler führte uns als Paare zusammen, wir hielten uns an den Händen und dann in den Armen. Oh je, ich habe sehr viel geweint und vielleicht meinem Partner zuviel zugemutet? Quatsch, war vollkommen egal. Endlich ging es mal um mich und wie ich mich fühle.

Wir sassen zum Schluß im Kreis und redeten über unsere Erfahrungen. Ich habe erst kein Wort rausgebracht, doch der Künstler war sehr liebevoll, hat immer wieder nachgefragt und schließlich habe ich etwas gesagt: »Zuerst war ich sehr wütend auf mich, dann war ich wütend auf alle Menschen in meiner Arbeit. Dann war alles weg. «

Der Künstler fragte mich nach den fünf Minuten in der Umarmung. Auch da konnte ich erst nichts sagen, da ich wieder weinen musste. Ich sagte dann nur das: »Es ist endlich genug. Es ist endlich genug. Ende. «

Die Bedeutung dieser Worte wird mir jetzt, heute Abend, erst klar: Ich kann nicht wieder zurück an meine Arbeit, die mich in all den Jahren so wütend gemacht hat! Diese Scheiß-Wut habe ich zu mir genommen. Aber sie gehört in meine Firma, zu meinen »Kollegen« im Vorstand, nirgend woanders hin. Verdammt noch mal, ihr Typen habt mich so sehr in Wut gebracht, es ist unbeschreiblich. Ich habe viele Jahre meines Lebens geopfert, um schließlich mit meiner Wut allein zu bleiben. Ihr Idioten, kommt endlich auf die documenta, schreit EURE Wut raus und lasst mich in Ruhe!

Aber wo gehört die Umarmung hin, wenn die Wut weg ist? Ich fühlte mich aufgehoben da im Workshop, einfach zugehörig. Wie schön war es, mit all den unbekannten Menschen eine Erfahrung zu machen, die uns alle bewegt hat.

Schon wieder diese alte Nummer! Ich kann doch nicht jeden Tag wieder in den Wut-Workshop gehen, um endlich dazu zu gehören. Ich ringe mit der Verzweifelung, mit der Zerstörung meiner selbst. Kann es so etwas wie Heilung geben?

»Well done« hat der Künstler noch gesagt, als wir uns verabschiedeten.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Lesung am 16. Juni um 12 Uhr

Mit ausdrücklicher Erlaubnis von Isabelle Hüter wird Andreas Knierim aus dem Blog „Nichts. Tun. Inside documenta“ im Rahmen des dOCUMENTA (13)-Programms der Künstlergruppe Critical Art Ensemble öffentlich vorlesen.

Die Lesung wird ins Englische durch Barbara Toopeekoff übersetzt.

16. Juni 2012 von 12 bis 13 Uhr
Kassel, Hauptbahnhof, in der Verlängerung des Nordflügels
Extra gebautes Häuschen für Critical Art Ensemble (hinter der Arbeit von Lara Favaretto, No. 61)

Achtung: Sehr kleiner Veranstaltungsort, nur 20 Plätze!
Rollstuhlzugang vorhanden, im dOCUMENTA (13)-Plan die No. 42
Kein dOCUMENTA-Ticket notwendig!

So sieht das Häuschen von außen aus:
Veranstaltungsort Lesung documentablog

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Ich danke Ihnen

11. Juni 2012: AK hat mir gestern Ihre Kommentare in den Briefkasten gelegt. Ich sehr, sehr erstaunt. Sie lesen das, was ich schreibe! Und Sie ermuntern mich, weiter zu schreiben.

Sofort kommen mir die Tränen. Sie nehmen teil an meinen Erfahrungen und es scheint sie zu interessieren, was ich denke und tue. Und nicht tue. Danke dafür. Danke auch dafür, dass Sie mir Unterstützung anbieten. Sie sind im Geiste bei mir, das ist gut zu wissen.

Und natürlich muss ich jetzt aufpassen, Ihnen nicht verpflichtet zu sein. Das kenne ich aus meinem bisherigen Leben: Die Pflicht zu haben, etwas zu tun.

Um es Ihnen gleich zu sagen: Ich werde genau das nicht tun. Nichtstun braucht viel Bewusstsein.

Ja: Ich schreibe weiter. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich alles nach außen geben werde. Ich brauche den Rückzug, das Schreiben nur für mich.

Es geht mir auch wieder etwas besser, ich gewöhne mich an den Trubel. Ich erkunde seit gestern meine Nachbarn in den Häuschen und im Gelände ringsrum. Ich habe schon Champagner getrunken bei einer Künstlerin, die Zypressen in Töpfe gestellt hat. Nach einem Becher war ich vollständig betrunken! Dann habe ich eine Klanginstallation besucht, war mir aber zuviel. Dann gibt es noch eine Künstlergruppe, die sich mit der Natur auseinander setzt. Genauso mache ich es! Ich bin im Kontakt mit der Natur, jeden Tag, jede Nacht. Ich fühle mich sehr verbunden mit diesen Künstlern und der Kunst.

Ich habe mich dann nicht mehr weiter getraut. Too much people.

Am schönsten ist es natürlich bei meinem Hügel. Mit den Menschen am Rand des doing-nothing-garden zu sitzen hilft mir sehr, meine Vergangenheit zu verarbeiten. Endlich weg zu sein von dem, was mich zerfressen hat im Laufe der Jahre. Mir wird klar, dass ICH das alles gemacht habe, nicht die Anderen. Ich habe jedes Mal die Latte höher gelegt und bin dann gesprungen, gesprungen und wieder gesprungen. Bin nicht mehr drüber gekommen. Jetzt schaue ich aus meinem Hügel auf die Hochsprunglatten um mich herum und lasse sie da liegen, wo sie sind. Irgendwie springe ich gerade in eine andere Zeit.

Es ist so meditativ hier am Erdhügel, das spüren die Menschen. Sie reden und sie reden wieder nicht. Wenige schauen auf ihre Smartphones, viele tun: nichts! Herzlich willkommen.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Überrannt von Menschen

8. Juni 2012: Ein absoluter Katastrophentag! Die Karlswiese, auf der der Erdhügel steht, in dem ich wohne, wird überrannt von Menschen. Ich bin richtig eingekreist von der Masse. Den ganzen Tag höre ich einen Hubschrauber. Es ist furchtbar.

Mein erster Impuls ist Flucht. Ich kontrolliere diesen Impuls, ich halte stand. Etwas muss ich doch in meiner Managerkarriere gelernt haben!

Je mehr Menschen sich da im außen einfinden, umso mehr reise ich nach innen. Ich muss mich vor all den Gedanken, Stimmen, Füssen schützen.

Am schönsten ist es, wenn die Sonne aufgeht. Heute Morgen hat sie sich durch eines meiner Gucklöcher gezeigt. Ich wache auf, ich blinzele. Ich stehe auf und gehe in meinem Schlafanzug sofort nach draussen. Auf der Wiese ist um diese Zeit kein Mensch, ich wandele ein bisschen umher, lasse mich von der Sonne wärmen. Wird das überhaupt noch gehen in den nächsten Wochen?

Dann gehe ich in meinen Erdhügel zurück, der keineswegs dunkel und kalt ist. Er behütet mich, er wärmt mich. Auch deshalb nenne ich mich Hüter. Mein neuer Name hilft mir, mich als Persönlichkeit zu finden, mir meine Aufgabe klar zu machen. Ich bin der Hüter dieses Erdhügels. Meine Aufgabe scheint es zu sein, das Nichtstun all diesen Menschen näher zu bringen, die nur noch tun.

Es sind aber zu viele, die hier sind. Für mich sind es zu viele. Welche Überraschungen hat das Künstler noch zu bieten? Die documenta fängt doch erst an!

Kommen morgen noch mehr Menschen? Ich befürchte es. Wie wappne ich mich? Durch das Schreiben? Schreiben ist aber doch auch: Tun. Sollte ich damit aufhören?

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Der Panzer aus meiner Karriere kriegt ein Loch

7. Juni 2012: Ich bin draussen vor dem Erdhügel. Ich muss einfach hier draussen sein, um die Menschen auch zu sehen, deren Stimmen ich sonst nur höre.

Meine Gefühle brechen immer weiter durch, ich bin euphorisch, ich weine. Als ob die letzten 20 Jahre jetzt rauskommen müssen. Ich bin in einem Augenblick völlig fertig und verzweifelt, in einem anderen voller Glück des Moments. Es ist meine Metamorphose in einem Berg aus Müll. Der Panzer aus meiner Karriere kriegt ein Loch nach dem anderen, wo die Gefühle reinkriechen dürfen. Und rauskriechen dürfen!

Die documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev habe ich beim Interview gesehen: Sie spricht von »Formen der Einbildungskraft«, von »nichtlogozentrischen Visionen«, die dem »beharrlichen Glauben an wirtschaftliches Wachstum skeptischen gegenüber stehen«. Die Frau spricht, als würde sie mich kennen! Ich bin genau an der Grenze zu etwas ganz Neuem in meinem Leben. Kein wirtschaftliches Wachstum, menschliches Wachstum.

Sie sagt auch, dass »verschiedene Formen des Wissens das Herz der aktiven Übung, sich die Welt neu vorzustellen, bilden«. Genau da bin ich! Ich kann es viel einfacher beschreiben, wie einer Begegnung.

Ich saß vorhin im Café als weitere Übung meiner Freiheit. Als Frau Anfang 50 bin ich gänzlich unsichtbar für alle Männer. Eine jüngere Frau setzte sich zu mir, vielleicht 30 Jahre alt. Sie war völlig begeistert von Song Dongs Erdhügel: »Es ist, als strahle dieser Doing Nothing Garden reine Energie aus. Kommt Ihnen komisch vor, was ich sage, oder?«

Ich lächelte: »Nein, überhaupt nicht. Geht mir auch so.«

»Das geht Ihnen auch so? Da bin ich aber froh. Ich habe nämlich öfters so was: Von einem Augenblick auf den Anderen kommen so viele Gefühle in mir hoch, dass ich heulen muss.«

Ich konnte es kaum fassen: Dieser Frau geht es so wie mir, nur eben 20 Jahren früher. »Und wie geht es Ihnen dann?«

»Sofort besser. Es muss einfach raus.«

Mein Gott, warum habe ich das jetzt erst so spät rausgelassen? Was für eine verdammte Scheiße ist das? Musste ich erst 50 werden, um es rauszulassen?

»Alles okay bei Ihnen? Sie sind so blass!« Die junge Frau an meinem Tisch schaute mich besorgt an.

»Nein, alles prima. Ich habe nur gerade gedacht, dass ich 20 Jahre länger gebraucht habe, um das zu fühlen, was Sie gerade fühlen.«

Dann lächelte sie mich an: »Ist keine Frage des Alters. Gefühle kommen eben genau dann, wenn sie dran sind.«

Sie war ein Engel, der mich wirklich tröstete. Ich lächelte zurück und dankte – wem auch immer -, dass ich hier in diesem Café mit dieser jungen Frau in Sichtweite meines Erdhügels sitzen und über Gefühle reden durfte.

Veröffentlicht unter Uncategorized | 2 Kommentare

Selbsthilfe erstens und zweitens

6. Juni 2012: AK, der Betreiber des Blogs, hat Kontakt mit mir aufgenommen. Bisher hat er meine Notizen nicht kommentiert sondern nur veröffentlicht. So habe ich das mit ihm vereinbart, er hat sich bisher daran gehalten.

Als er aber meine Zeilen gestern las, hat er sich Sorgen gemacht. Das finde ich sehr nett. Auf diesem Weg möchte ich Ihnen, also AK, sagen: »Ich komme klar! Und ich verspreche Ihnen, wenn das einmal nicht so sein sollte, werde ich sie kontaktieren.« Von mir aus auch telefonisch, es scheint ja immer noch Telefonzellen zu geben.

Selbsthilfe erstens: Ich habe alle E-Mails und Briefe gelesen, bei denen ich in meinem Berufsleben gelobt wurde. Ich habe mir diese Mails ausgedruckt und ich habe sie in diesen Erdhügel mitgenommen. Das war eine sehr gute Idee. Fast hatte ich vergessen, dass da draussen noch Menschen sind, die mich und meine Arbeit schätzen.

Selbsthilfe zweitens: Ich habe begonnen, täglich zu schreiben. Also viel mehr zu schreiben als in den vergangenen zwei Monaten. Das ist eine große Hilfe für mich. Nicht alles gebe ich AK, das heißt: Sie können nicht alles hier lesen, was ich auch schreibe. Ich filtere das, ich wähle aus, was Sie von mir erfahren dürfen. Ich muss die Kontrolle behalten.

Und genau liegt der Hund begraben: Solange ich mich kontrolliere, kommen die großen Gefühle nicht. Hier im Erdhügel ist mein Alltag ein ganz anderer: Geräusche, Stimmen kommen zu mir. Kleinste Begebenheiten machen mich fertig: Gestern Abend bin ich spazieren gegangen, treffe eine Hundebesitzerin, streichle ihren Hund. Hund und Besitzerin freuen sich, ich freue mich. Da kommen mir plötzlich die Tränen, die ich so sehr vermisst habe. Hund und Hundebesitzer sind gar nicht erschrocken darüber, wir sprechen nicht, sehen uns nur an. Verstehen wir uns? Ich habe keine Ahnung.

Ganz zum Schluß: Heute ist die Pressekonferenz, dass hat mir AK gesagt. Da weiß es dann sowieso jeder: Ich wohne im Kunstwerk von Song Dong mit dem Namen Doing Nothing Garden. Im Kurzführer der documenta können Sie meinen Erdhügel somit besser finden J. Wenn Sie mich im Garten einmal besuchen wollen.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Erschüttert in den Grundfesten des Lebens

4. Juni 2012: Mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist so groß, dass ich mich in meinem Leben sehr oft selbst verleugnet habe. Das wird mir klar, wenn ich an die Begegnung gestern mit der documenta-Frau denke. Ich will so gerne dazugehören! Schon wieder, jetzt eben zur documenta.

Seit 20 Jahren, seit ich meine Karriere bewusst wahrnehme, kämpfe ich um Anerkennung meiner Leistung und meiner Qualifikation. Oft habe ich gedacht: »Wenn ich hier eine gute Arbeit mache, dann sieht das schon einer. « Dann werde ich befördert. Das Spiel geht aber mitnichten so. Beförderung hat nichts, gar nichts mit Leistung zu tun.

Im meinem Leben bin ich auf Leistung geeicht. Ich kenne keine Alternative dazu. Deshalb gibt es für mich auch keine Karriere-Entwicklung mehr. Ich bin im Vorstand, was soll ich in einem anderen Vorstand? In einem Aufsichtsrat?

Hier im Erdhügel ist meine Leistung gleich null. Von mir wird nichts verlangt, außer vielleicht, dass ich anwesend bin. Aber das hat mir bisher keiner gesagt. Ich könnte auch nicht anwesend sein. Das machen, was ich will.

Nur: Was will ich denn? Ich bin erschüttert in den Grundfesten des Lebens. Die kleinsten Begebenheiten erschüttern mich. Das ist so schlimm, eigentlich könnte ich nur noch heulen. Weinkrämpfe kriegen. Ich kriege aber keine Träne raus. Bin ich schon so sehr in die Managerwelt eingetaucht, dass ich nicht mehr weinen kann? Ich fasse es nicht.

Ich weiß, dass es nur noch wenige Tage zur Eröffnung sind. Das Alleinsein wird ein Ende haben, überall am Erdhügel werden Menschen sein. Ob ich das überhaupt aushalten werde? Was wird von mir verlangt während dieser Ausstellung? Soll ich mich bemerkbar machen? Soll ich mal ins Büro meiner Kontaktperson schlendern und beiläufig fragen? Oder sind dann alle bestürzt, dass ich meine Behausung verlassen habe?

Vielleicht haben alle schon vergessen, dass ich überhaupt noch da bin? Nein halt, das stimmt nicht. Ich bekomme regelmäßig Proviant, neue Gaspatronen, Batterien. Vielleicht nur noch ein Automatismus. Was bin ich wert? Soll ich mich das alles fragen? Als Teil eines Kunstprozesses? Der zu einem besseren Leben führt?

Ich werde langsam irre, wenn mich nicht alles täuscht. Ich muss mit jemand reden. Mit wem?

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Unterwegs in Kassel

3. Juni 2012: Wie Sie vielleicht wissen, kann ich hier raus. Ich spaziere durch die Kasseler Karlsaue, schaue mir die Kunstwerke an, die überall entstehen. Einige Künstler scheinen auch in ihren Kunstwerken zu wohnen. Wenn ich das sehe, fühle ich wie in einer verschworenen Gemeinschaft. Die WG ist über den ganzen Park verstreut!

Ich lege mich ins Gras. Am Himmel zwei Flugzeuge. Eines aus dem Osten, eines von Süden. Sie fliegen aufeinander zu! Kommen sich immer näher! Nur noch wenige Meter! Ich kann nichts tun! Die Kondensstreifen kreuzen sich. Beide Flugzeuge fliegen weiter. Wie oft habe ich wohl im Flieger gesessen und das nicht bemerkt. Wie oft habe ich wohl überlebt, ohne dass ich mir dessen bewusst war?

Überhaupt das Fliegen: Natürlich hat mich meine Firma Business fliegen lassen. War immer ein Erlebnis: Die Männer um mich herum sagten mit ihren Blicken: Was macht die denn hier? Die kann so schnell in ihren Powerbook tippen, war bestimmt mal Sekretärin. Interessant dabei: Niemand fragte mich, was ich mache. Keiner der Männer wollte mit mir sein Netzwerk erweitern. Auf bestimmt 3.000 Flügen habe ich nur eine Handvoll Visitenkarten eingesammelt, fast nur von anderen Frauen.

Jetzt betrachte ich, im Gras liegend, meine Visitenkarte: Das Logo meiner Firma hat eine feine Prägung, Das Büttenpapier ist handgeschöpft. Auf der Rückseite alles noch einmal in Chinesisch. Das würde meinem Gastgeber im Erdhügel, dem Künstler Song Dong, gut gefallen. Wir sind uns schon mal begegnet, über die Sprache.

Ich laufe noch ein Stück in Richtung der Innenstadt. Komme an einer Halle vorbei. Unten hat so etwas wie ein Café geöffnet, viele Menschen sitzen draußen beim Mittagessen. Ich habe Hunger, ich gehe hinein.

»Guten Tag, gehören Sie zur documenta? «

»Ja, ich bin Teil eines Kunstwerkes. «

»Na dann: Herzlich willkommen. Wir haben heute zwei Menüs. «

Ich mache meinen Teller ganz voll und setze mich nach draußen: »Ist hier noch Platz? «

Lächeln meines Gegenüber: »Klar. «

Dann Frage meines Gegenübers: »Auch bei der documenta? Ich habe dich noch gar nicht hier gesehen.«

Stolz sage ich: »Ja, auch bei der documenta. Bis jetzt habe ich mich in einem Kunstwerk verkrochen.«

Sie lacht. Wir reden. Eine ganze Stunde lang. Sie weiß alles über die Kunst hier in Kassel. Gibt mir Tipps für Abends und fragt kein einziges Mal, wer ich bin und warum ich hier bin. Die documenta ist schon eine eingeschworene Gemeinschaft. Und sie vermittelt Zusammengehörigkeit, das Arbeiten an einer großen Idee. So was wie ein Beitrag zur Veränderung der Welt. Ich bin dabei.

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Das Glück durchströmt mich

1. Juni 2012: Unglaublich, das Leben. Hier bin ich am Leben. Break free, let me – be unbound (The Refugees). Ich stehe an meinem Guckloch, schaue in die Welt. Ich überwinde die Schatten an der Höhlenwand. Niemand zwingt mich, die wirklichen Dinge zu sehen. Ich schaue in die Welt da draussen. Das Glück durchströmt mich. Sobald ich spüre, wie mich das Glück durchströmt, ist schon alles wieder vorbei.

Aber für diese zwei, drei Sekunden des Glücks lohnt es sich, hier zu sein. Genau in diesem Augenblick. Ich bin sehr dankbar dafür. Ihr da draussen habt keine Ahnung. Wenn ihr eine Ahnung hätte, würdet ihr sofort mit mir tauschen wollen hier in meinem Erdhügel. Eine Sekunde ist wie eine Minute, eine Minute wie eine Stunde, eine Stunde wie eine ganze Woche, manchmal. Gerade bin ich hier angekommen. Vor einer Stunde?

I got plenty of time. Guess that this must be the place. Never for money, always for love (Talking Heads).

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Dankbarkeit auf chinesisch

31. Mai 2012: Ich bin dem Künstler Song Dong sehr dankbar und habe deshalb AK gebeten, meinen Dank für ihn ins Chinesische zu übersetzen. Ich weiß, dass sich Song Dong mit Übersetzungen beschäftigt und glaube, ich mache ihm damit eine Freude.

Also: Ich wohne in deinem Kunstwerk. Ich freue mich sehr. Danke.

Auf Chinesisch:

住在你的作品里,我非常高兴。谢谢!

Zhùzài nǐde zuòpǐn lǐ, wǒ fēicháng gāoxìng. Xièxie!

Isabelle Hüter dank Song Dong für die Unterkunft

Isabelle Hüter dankt Song Dong für die Unterkunft

 

(Anmerkung: AK dankt Christoph Junghölter sehr herzlich für die Übersetzung ins Chinesische!)

 

Veröffentlicht unter Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar