Therapie mit dem ersten Schritt: Abschied

30. August 2012: Immer wieder hat mir AK geschrieben und beiläufig eine Adresse einer Therapeutin ins Spiel gebracht. »Ich bin nicht verrückt« waren dann meist meine Gedanken. Ich war doch auch schon im »Sanatorium«. Doch das ist nicht mehr als ein müder Witz.

AK ist drangeblieben, hat mir einige Artikel zum Thema in den Briefkasten gelegt. Behutsam, nicht drängend. Jetzt bin ich hingegangen, ohne vorher anzurufen. Ich habe ein erstes Gespräch geführt. Und noch eins. Und noch ein drittes.

Es ist ein Anfang. »Sie sind verlassen worden, dass traumatisiert«, sagt die Therapeutin und mir wird nach langen Monaten klar, wie Recht sie hat.

»Und ein Trauma führt oft zum Verdrängen, dem nicht-auseinandersetzen-wollen, was gerade passiert ist.« Noch mal Volltreffer.

»Und Verdrängen kann auch bedeuten, sich mit viel Fantasie eine neue Heimat zu erschaffen.« Da bin ich aber ganz anderer Meinung.

Ich kann jetzt an meinem Erdhügel vorbei gehen, ich muss mich nicht mehr drinnen verkriechen. Ich bin wieder frei, bereit für die Welt.

Das haben wir als ersten Schritt vereinbart. Ich gehe immer wieder um den Hügel herum, eine Meditation, Stunde um Stunde. Ich verabschiede mich.

Ich bin bereit dafür, ins Auge des Taifuns zu blicken. Let it all go: Abschied von meinem alten Beruf. Abschied von der alten Kontrollkultur in meinem Konzern. Abschied von der Einsamkeit. Abschied vom Erdhügel.

Gerne würde ich mir jetzt sagen »Komm‘ mal runter«. Es gibt aber gar nichts, von dem ich runterkommen müsste. Denn ich war überhaupt nicht oben.

Es ist faszinierend und selbstverständlich zugleich. Es versteht sich von selbst! Mein Selbst versteht! Und alles diffundiert durch mich hindurch, nimmt mich mit, entlässt mich wieder und hält ein Versprechen, das wie eine Leuchtreklame hell erstrahlt:

F R E I H E I T.

Wie die Schriftzeichen auf dem Erdhügel.

Ich habe große Demut vor den Menschen und den Dingen um mich herum. Das wird bleiben.

Ich bin mir selbst begegnet. Ein großes Geschenk.

Ich hoffe, auch Sie können sich selbst beschenken. Alles Gute für Sie.

Goodbye, Song Dong. Goodbye doing-nothing-garden. Let it all go.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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