Das Sein im Sein

22. Juni 2012: Wie bin ich zu dem geworden, was ich bin? Warum bin ich heute das, was ich bin? Ich habe zu akzeptieren, dass alles so ist, wie es ist. Was mir bleibt, ist das Nachdenken darüber. Um daraus Schlüsse ziehen zu können, etwas zu verändern und neu zu entscheiden. Auch und vor allem hier in meinem Erdhügel.

Ich glaube, ich habe in all den Jahren genau das gemacht. Ich bereue nichts, obwohl ich wahrscheinlich viele Menschen vor den Kopf gestossen habe, die nicht verstanden haben, warum ich mich gerade dann so und nicht anders entschieden habe. Sicher werden mich einige dafür egoistisch nennen. Ich würde es eher als Überlebensstrategie bezeichnen. Es hat mein depressiv-sein im Zaume gehalten, das Vorangehen und Neuentscheiden. Es war Sinn und Zweck, weiter zu leben.

Jetzt wird diese Ruhelosigkeit durch etwas anderes abgelöst, was vielleicht meinem Alter und meiner Reflexion geschuldet ist: die Hingabe an mein Tun ob des Tuns wegen. Das Sein im Sein. Das Jetzt im Jetzt. Der Erdhügel ist dafür nur noch ein Sinnbild, eine Hülle, um den Zweck meiner Existenz erklärbar zu halten.

Ich selbst brauche keine Erklärungen mehr, denn ich habe verstanden, dass mein Leben an sich wertvoll ist. Das muss ich keinem mehr beweisen! Ich kann hier in Ruhe sitzen und schreiben. Nur für mich. Das nach-außen-geben ist dann nur noch teilen, mit-teilen. Ohne die Erwartung, eine Antwort zu bekommen. Denn Antworten (besser vielleicht: Urteile) von Anderen sind schon lange nicht mehr notwendig. Verwirren mich nur, verunsichern mich auf meinem Weg zu mir.

Ich stehe mir nackt gegenüber, schaue auf meinen Körper, schäme mich nicht mehr. Habe keine Erwartungen mehr an mich, muss nichts mehr beweisen. Es erleichtert mich sehr. Nach all den Jahren.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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