Ich bin gesund, das System ist krank?

19. Juni 2012: Ich weiß, dass es eine Lesung meiner Texte gegeben hat. AK hat mir einen kleinen Bericht geschrieben. Ich weiß jetzt auch, dass ich gesund bin. So sagte es zumindest ein dort anwesender Therapeut.

Wissen Sie was? Es tröstet mich, wenn ich das höre, besser gesagt: wenn ich das lese! Ich denke fast jeden Tag, dass ich nicht gesund bin. Jetzt denke ich manchmal daran, gesund zu sein. Das System, in dem ich gearbeitet habe, ist wahrscheinlich krank. Und hat mich krank gemacht, seitdem ich dabei bin. Ein langsamer, schleichender Krankheitsprozess.

Hier im Erdhügel beginne ich zu gesunden. Fast genauso langsam. Was bedeuten müsste, mindestens zwanzig Jahr hier drin zu bleiben. Vielleicht sollte ich bei den documenta-Leuten um eine Verlängerung anklopfen? »Hallo, mein Name ist Hüter. Isabelle Hüter. Ich wohne immer noch im Kunstwerk von Song Dong und möchte Sie heute bitten, den Hügel stehen zu lassen. Ich brauche ihn einfach als Wohnraum. «

Wenn die documenta-Leute den Hügel abtragen wollen, bleibe ich einfach sitzen. Blockiere den Hügel, kämpfe um meinen Wohnraum. Ich habe doch so etwas wie ein Gewohnheitsrecht, oder?

Inzwischen habe ich meinen Frieden mit den Besuchern geschlossen. Mehr noch: Ich genieße ihre Anwesenheit, ihre Energie, ihren spielerischen Umgang mit dem Nichtstun und dem Tun. Bei einer Gruppe ist es oft so, dass einer gehen will. Die Anderen überreden ihn dann aber, noch ein wenig zu bleiben. Und dann bleiben alle. Der Doing Nothing Garden scheint zu sagen: »Verweile noch, Tu noch ein bisschen nichts. «

Manchmal bin ich den ganzen Tag draußen. Das ist sehr einfach, ich kann meine Wohnung zu jeder Tages- und Nachtszeit verlassen, so gut versteckt ist der Zugang (so, damit habe ich auch eine Frage bei der Lesung beantwortet – AK hat mir auch das mitgeteilt). Das war meine Bedingung damals.

Soviel sei verraten: Sie haben ja keine Ahnung, wie weit außerhalb meine Wohnungstür ist. Die documenta-Leute haben sich selbst übertroffen in der Architektur!

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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