Ich atme das Bild

24. Juni 2012: Wie hat sich überhaupt meine Identität gebildet? Wie habe ich mich als ICH erkannt? Zunächst durch die Anerkennung durch Andere. Im Außen.

Eine lange Zeit ist verstrichen …

Dann kam die Anerkennung durch mich selbst. Ich habe die Bruchstücke meiner Identität – bei Anderen eingesammelt – vor mich hin gelegt. Viele der Puzzleteile passten nicht ineinander, ich musste sie zurechtschnitzen. Ein No-Go beim puzzeln! Aber ein Go zur Entwicklung meiner Identität.

Im Laufe der letzten Monate habe ich viele der alten Puzzleteile weggeschmissen, sie gehörten zu einem anderen Spiel.

Diese Vorstellung gefällt mir sehr gut: Mein Leben ist nicht ein einziges Puzzlespiel sondern mehrere, viele. Das Bild, was sich zusammensetzt, ändert sich im Laufe der Zeit. Alte Bilder werden abgelöst, neue entstehen. Keines der Bilder ist vollständig! Immer wieder fehlt ein Teil, kommt ein neues Teil hinzu, das einfach nicht in das Bild passen will. Also beginnt ein neues Puzzle.

Ein einziges Teil liegt in der Mitte und wartet auf neue Teile, um ein lebendiges Bild zu ergeben. Ich habe keine Eile, dieses neue Bild zusammen zu setzen. Im Gegenteil: Die neuen Teile segeln sowieso herein, wollen angedockt werden. Wie in einem Trickfilm entsteht ein neues Bild, ohne das ich viel an den Teilen herumprobieren muss. Das Bild zeigt sich einfach. Das ist der wesentliche Unterschied zu früher: Ich muss die Bilder über mich nicht mehr zusammensetzen, ich bin das Bild.

Ich atme das Bild. Ich bin nicht mehr Puzzle (Rätsel), ich bin das Leben. So, wie es mir begegnet. Gerade jetzt. Hier im Hügel aus Erde und Müll.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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