Oben der Himmel.

23. August 2012: Ich habe eine Frau kennen gelernt. Ihr Antrieb ist die Sehnsucht nach einem anderen System. Sie will flüchten. Im alten System kommt ihr aber die Liebe dazwischen. Es ist kompliziert.

Wenn ich meinen Erdhügel ab und zu verlasse, entdecke ich immer neue Dinge. Es war so wunderbar warm gestern. In der Abenddämmerung gehe ich an den Zypressen vorbei zur Musik auf die Terrasse. Immer wieder höre ich diese Musik im Hügel, jetzt will ich mal mittendrin sein. Am liebsten tanzen, aber es tanzt keiner und Auffallen ist noch nicht so meine Sache.

Dann treffe ich diese Frau und verliebe mich sofort in sie. Ich muss mich einfach in sie verlieben. Ich glaube, sehr viele Menschen, Frauen und Männer, haben das schon vor mir getan. Wenn sie da so mit ihrem Fahrrad fährt. Der Wald rauscht, flüstert Barbara etwas zu. Sie ist Ärztin, kümmert sich. Aber sie will weg. Endlich ins gelobte Land. Und trotzdem entscheidet sie sich am Ende anders, an ihrer Stelle darf ein Mädchen über die Ostsee in den Westen flüchten.

Es gibt gar keine andere Möglichkeit, als mit dieser Frau zu verschmelzen. Ich würde sie so gerne da von der Leinwand holen, ihr meinen Hügel zeigen, ihr das andere System zeigen. Mein System. Ich bin nicht geflüchtet, das weiß ich jetzt. Ich habe das eine System verlassen und mir mein neues System geschaffen. Ich denke und fühle mich einfach neu. Es ist ein Anfang und ich frage mich: Was kommt jetzt?

Ich bin sehr berührt. Ich sehe diese Frau, ich bin verliebt in diese Frau. Es hat alles mit mir zu tun, ich weiß es: Ich liebe mich selbst. Vielleicht zum ersten Mal. Und oben ist gleich der Himmel.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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