Marcos

28. Juni 2012: Ich habe Marcos kennen gelernt. Obwohl Männern in meiner Leben eigentlich keine Rolle mehr spielen sollten. So war zumindest der Schwur. Aber was soll ich machen, Marcos ist ein Nachbar, zu dem man gute Beziehungen pflegen sollte, oder?

Er arbeitet in einem skurrilen Haus hier auf dem Gelände, das gleich zwei Ausgänge besitzt. Nach oben, ganz normal in den Park und nach unten, direkt in die Erde. Da wird es spannend, da haben wir doch so einige Verbindungen. So unterirdisch, meine ich. Klar, dass wir uns treffen mussten.

Er ist der Meister der Verknüpfung zwischen Bewusstem und Unbewussten. So habe ich es zumindest nachgelesen in der Buchhandlung hier auf der documenta. Er selbst sagt über sich so etwas nicht. Er arbeitet nur mit seiner Stimme: »Dreaming and drifting«. Träumen und sich treiben lassen. Das ist hier seine Aufgabe: Menschen in Einzelsitzungen dabei zu begleiten, zu träumen und sich hin zu geben. Sanft an Bilder und Träume heran zu führen. Ihm auf dem Pfad seiner Worte zu folgen. Innen ist zugleich außen.

Bei mir hat Marcos damit enormen Erfolg! Seine Stimme führt mich überall hin. Ich bin völlig relaxed. Weil, in seiner Hypnose geht immer erst mal um relaxing. Er macht das auf Englisch, das hilft mir enorm: Alles ist so weit weg, so herrlich einfach, eine andere Welt. Ich bin in eine Decke gehüllt, ich liege auf einer Decke, Marcos spricht von Brücken über den Nil, von den Gerüchen, die dort entstehen. Von den Geschichten, die erzählt werden. Ich bin die Geschichte, die gerade erzählt wird. Ich bin nicht mehr Mensch, ich bin die Erzählung. Wunderbar leicht.

Nachdem ich wieder an die Oberfläche gekommen bin, habe ich gedacht: » Hallo, was macht dieser Typ mit mir? So wollte ich das eigentlich nicht mehr. Jemanden so dicht an mich ranlassen. «

Aber wahrscheinlich habe ich in den letzten beiden Monaten im Erdhügel genau dieses Bedürfnis entwickelt: Jemanden an mich ran zu lassen. Nicht auf der körperlichen Ebene, auf der seelischen! Da füllt er genau die Lücke, die sich bei mir aufgetan hat. Oh, oh.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.