Ich fühle mich wertgeschätzt

24. Juli 2012: Je länger ich mich in meinem Erdhügel aufhalte, umso klarer wird mir: Ich fühle mich wertgeschätzt. Und nicht etwa deshalb, weil mich dafür jemand lobt, dass ich hier lebe. Das tut keiner. Ich lobe mich selbst dafür, hier zu leben. Und dies Lob führt zur Wertschätzung meiner Selbst.

Noch vor sechs Monaten war ich skalvisch abhängig davon, gelobt zu werden. In jedem zweiten Fachzeitschriftenartikel ging es um Wertschätzung der eigenen Mitarbeiter. Und wer wertschätzte mich? Hallo, ich will endlich anerkannt werden für das, was ich hier in diesem Scheißladen gemacht habe!

Keine Antwort. Ich habe tatsächlich geglaubt, in einem Bonussystem Punkte zu sammeln, die schließlich zur Einlösung kommen dürfen: Ich erhalte als Prämie jede Menge Wertschätzung. Leider existiert dafür gar kein Prämienkatalog. Ist mir erst sehr spät aufgefallen.

Hier im Hügel habe ich mich entschlossen, diese Punktekarte endgültig wegzuschmeissen. Zu dem ganzen anderen Müll, der mich hier jeden Tag umgibt. Meine Bonuspunkte dürfen vergammeln, wieder zu Erde werden. Ich sammele nicht mehr, ich genieße die Zeit, die ich gewonnen habe.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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