Drauf-gucken statt drin-sein

11. Juli 2012: Im Hügel sein heisst woanders sein. Draussen sein. Draufgucken. Nicht Teil eines Systems zu sein, sondern auf das System zu schauen.

Ich amüsiere mich manchmal dabei. Ich weine manchmal darüber.

Die Zusammenkünfte mit meinem Vater fallen mir dazu ein: Er war mein Berater, er war dankbar über meine Businessthemen. Es hat uns verbunden, irgendwie. Freitagnachmittags besuchte ich ihn an seinem Arbeitsplatz, in seinem Chefbüro. Da hatte er Zeit, denn viele seiner Mitarbeiter gingen mittags nach Hause.

Wir sassen zusammen, ich schaute in seine Mappe für die nächste Woche, wir redeten über seine Termine, seine Sorgen. Nach einer Weile schaute er mich an: »Na, Isabelle, was ist los?«

Ich erzählte ihm von meinen Selbstzweifeln, meinen Karrieremöglichkeiten und neuen Angeboten von Headhuntern. Er hörte zu, stellte kluge Fragen, schüttelte den Kopf, gab mir Ratschläge. Er zuckte mit den Schultern: »Aber du machst ja sowieso nur das, was du willst.«

Womit er Recht hatte. Doch dieses Reden mit meinem Vater hat mir enorm geholfen, ich habe viel verstanden über mein Leben, meinen Beruf. Als er starb, war ich fassungslos; Mit wem sollte ich jetzt darüber reden?

Hier in meinem Erdhügel denke ich an die Gespräche mit ihm. Nein, besser gesagt: Ich spreche mit ihm. Er sitzt mir am Küchentisch gegenüber, nickt, fragt.

Halten Sie mich bitte nicht für verrückt, denn diese Zwiegespräche helfen mir wieder, genau wie damals. Sie erhalten mich am Leben.

Über documenta

Über Briefe und Notizen erhält Andreas Knierim in unregelmässigen Abständen Nachrichten von "Isabelle Hüter". Sie bewohnt, nach eigenen Aussagen, das Kunstwerk von Song Dong "Doing Nothing Garden" auf der dOCUMENTA (13) auf der Karlsaue in Kassel.
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